Bericht #2
Liebe Freunde,
Vorgestern Nachmittag erreichten wir das Basislager des Mt. Everest, Lhotse und Nuptse, auf ca. 5300 m gelegen. Dieses Mal empfinden wir die Atmosphäre hier als sehr angenehm. Bis jetzt sind im
Vergleich zu 2009 (unserer Lhotse Expedition), deutlich weniger Leute anwesend, die sich auf dem langen Khumbu-Gletscher gut verteilen.
Unsere Zelte stehen etwas abgelegen in einer sehr ruhigen Gletschermulde, mit einem perfekten Blick auf den Nordwestgrat des Nuptse und den großen Eisbruch. Unser Basislager (die Küche und das
Mannschaftszelt) teilen wir mit 4 weiteren Bergsteigern, darunter Rolf Eberhard und Richie Stihler aus Deutschland, die am Lhotse und Mt. Everest unterwegs sind.
Die für Umweltschutzbelange zuständige Behörde SPCC (Sagarmatha Pollution Control Commité) hat neue Regeln aufgestellt, - was uns gut gefällt. Neben dem Toilettengang, der schon seit 1996 in eine
Plastiktonne verrichtet werden muss, der Mülltrennung und überwachten Retourgabe von Gaskartuschen, Batterien, Sauerstoffflaschen, etc., darf nun auch kein hochprozentiger Alkohol mehr verkauft
und getrunken werden. Zudem dürfen keine großknochigen Fleischstücke mehr hier hoch transportiert werden.
Wir sind nicht schnurstracks hierher gekommen. Die letzte Woche verbrachten wir am 6000er Lobuje East beim Fotografieren für unsere Partnerfirmen Lowa, Deuter, Schöffel und Komperdell.
Gleichzeitig konnten wir uns ideal vorakklimatisieren.
Aber zunächst von vorne: Von Namche Bazar aus wanderten wir in der uns sehr vertrauten, wunderschönen Kulturlandschaft der Sherpas hinauf bis Lobuche 4900 m und von dort eine halbe Stunde weiter,
wo wir zwischen großen Felsblöcken auf einer noch braunen Wiese unser Lager aufbauten.
Mit einer Erkältung hat es mich ziemlich stark erwischt, so dass wir noch einen Tag zuwarten wollten, bevor wir in größere Höhen aufstiegen. Bei erst noch durchwachsenem Wetter (nachmittags schneit es immer noch meistens) verbrachten wir 2 Nächte auf ca. 5600 m und stiegen dann mit unserer gesamten Biwakausrüstung weiter bis zur Ostschulter des Lobuche East auf ziemlich genau 6000 Meter auf. Obwohl dieser Punkt mittlerweile häufiger für eine gute Vorakklimatisation bestiegen wird, waren wir an diesem Nachmittag völlig alleine oben. Wir stellten unsere kleinen Zelte auf und richteten uns für die Nacht ein.
Stundenlang konnten wir uns kaum satt sehen an diesem einzigartigen Bergpanorama. Wir haben alle drei schon viel gesehen. Was sich an diesem Abend aber im aller schönsten gelb-orangenem Licht
über einer geschlossenen tiefliegenden Wolkendecke darbot, ist kaum zu übertreffen. Wir waren umzingelt von Mt. Everest, Lhotse, Nuptse, Makalu, Baruntse und Ama Dablam und vielen anderen Bergen
im Osten und Süden. Einmal mehr beeindruckte uns die Nordwand des Taboche und Cholatse. Den wunderschönen aber sehr Eisschlag gefährlichen Pumori hatten wir im Norden direkt vor unseren Nasen.
David und ich tobten uns mit Fotografieren und Filmen aus. Gerlinde saß am Zelteingang, schmolz Schnee und wir freuten uns sehr, hier oben zu sein. Nach Sonnenuntergang sank die Temperatur
rasch ab und um 19.30 Uhr lagen wir bereits in unseren warmen Schlafsäcken.
Am nächsten Morgen erreichte uns die Sonne um 6.30 Uhr. Der erste Blick - nach dem Öffnen des Reißverschlusses unseres Zeltes - fiel auf den Nuptse und Mt. Everest. Keinem Menschen wäre zu
verdenken, würde er auch gerne hier her möchten. Die großartige Dimension unserer Natur, ihre Einzigartigkeit und ihr Wert, wird uns hier, weit weg von jeglichem Komfort, jeglicher
Ablenkung, wieder stark bewusst. Wirklich begreifen oder erfassen lässt sie sich nicht, was auch gar nicht wichtig ist. Wir nehmen diese Momente einfach bewusst und voller Freude auf und schätzen
es immer wieder, diesen Weg gehen zu dürfen.
Zu einem späten Frühstück trafen wir wieder bei unserem Lieblingskoch und langjährigem Freund Sitaram Rai im Lobuche Basislager ein. Nachmittags waren wir beschäftigt mit Trocknen und
Zusammenpacken unserer Ausrüstung, denn am nächsten Morgen brachen wir mit Yaks und 2 Yaktreiberinnen ins Nuptse-Everest-Lhotse Basislager auf.
Die nächsten Tage werden wir hier im Basislager verbringen. Ich möchte noch meine Erkältung ganz auskurieren, unser Material möchten wir sortieren und am 22. April soll der am besten geeignete
Tag für die Puja Zeremonie sein. Vor dieser Zeremonie würden wir ohnehin nicht durch den sehr gefährlichen Eisbruch steigen wollen.
Für heute verabschieden wir uns und senden Euch ganz herzliche Grüße.
Bis bald - und wir wünschen euch einen schönen verbleibenden April.
Ralf und Gerlinde