Bericht #4
> Da Ralf sich noch ein paar Tage Auszeit zum Gesund werden im Basislager gegönnt hat, veröffentlichen wir an dieser Stelle den Bericht der letzten Tage von Gerlinde und David <
Liebe Freunde,
Noch bietet der Daunenanzug Schutz vor der Kälte, in wenigen Stunden sollte er uns jedoch ziemlich zu schaffen machen. Zuerst stiegen wir den flachen Korridor bis fast zur Lhotse Flanke auf,
danach bogen wir rechts ab unter die Nuptse Nordwand. Auf einer waagrechten Terrasse unter hängenden Eisseracs versuchten wir mit unseren schweren Rucksäcken bei mittlerweile großer Hitze so
schnell als möglich durch zu kommen. Kurz vor Beginn des Pfeilers stiegen wir eine etwas steilere, spaltenreiche Schneerinne auf, bis wir im Schutze eines Felsausläufers des Nordpfeilers auf 6900
m eine kleine Plattform für unser Minizelt aus dem Eis hackten. Von hier aus hatten wir eine ideale Ausgangsposition für die kommende Nacht.
Der Abend zeigte sich wie so oft von seiner allerschönsten Seite. Dieser erreichte mit dem Aufgang des Vollmondes direkt östlich des Lhotse seinen Höhepunkt. Zuversichtlich und sehr zufrieden
lagen wir bereits um 19.00 Uhr in unseren Schlafsäcken. Mit dem Rücken an die Felswand gedrückt, schlief ich bald ein. Schnell und tief schlafen!!!
Denn um Mitternacht surrte bereits schon wieder der Kocher fürs „Frühstück“. Hunger und Durst verspürte ich keinen, aber das kenne ich um diese Zeit. Wir brauchten Energie für den bevorstehenden Aufstieg. Der Blick nach draußen versprach jedoch nichts Gutes. Um 3.00 Uhr früh standen wir angezogen in voller Montur vorm Zelt. Es schneite ganz leise, ruhig und beständig dahin. Das durfte doch nicht war sein. Es dauerte auch gar nicht lange bis „Spindrifts“ die steile Nuptse Nordwand herunter sausten. Nun war klar, nicht hinauf, sondern so rasch als möglich abwärts. Würden wir hier länger zuwarten, würden wir in einer Mausefalle sitzen. Zu Beginn konnten wir noch wage unsere Spur des Vortages erkennen, aber schon bald mussten wir bei kaum 5 Meter Sicht, das GPS zu Hilfe nehmen, um überhaupt wieder ins Lager II zu finden. Sherpas, die beabsichtigten, in der Lhotse Flanke aufzusteigen, standen plötzlich vor uns und hofften, unseren Spuren folgen zu können. Sie hatten sich im dichten Nebel verlaufen. David und ich deponierten unsere gesamte Ausrüstung im Lager II und stiegen, wieder so rasch als möglich, durch den Eisbruch ab ins Basislager.
Dankbar über die gesunde Rückkehr und hungrig, saßen wir um 8.00 Uhr mit Ralf beim Frühstück. Mittlerweile geht es ihm Gott sei Dank wieder besser, dennoch wird er uns bei einem zweiten Versuch
ebenfalls nicht begleiten sondern eher versuchen zur besseren Akklimatisation den Südsattel am Everest auf knapp 8000 m zu erreichen.
Im heurigen Jahr ist alles ein wenig verdreht. Wir werden sehen, wie sich das Wetter entwickelt.
Für heute viele liebe Grüße und schöne sonnige Tage wünsche ich euch.
Herzlichst,
Gerlinde