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Nuptse-Ostgrat | Everest Expedition

Bericht #5

(Dispatch in English please see below)

Liebe Freunde,

Anstrengend und wunderschön war's die letzten Tage.

Am 10. Mai in Lager III auf 7100 m alleine am Zelteingang zu sitzen, den Ausblick über diese abgeschlossene Welt des Western Cwm, dem inneren Hochtal des Großen Hufeisens zwischen Nuptse, Lhotse und Everest, zu genießen bis die Bewölkung wieder zu machte und es anfing zu schneien. Dann im Zelt eine Weile Eis schmelzen bis die nächsten Tassen Wasser fertig waren und es draußen wieder ein paar Wolkenlöcher gab. Einen halben Tag genoß ich dieses Dauerschauspiel in völliger Stille. Am Nachmittag hat es dann endgültig zugemacht und erst als am späten Nachmittag zwei mir gut bekannte Sherpas vorbei kamen und sie zu einer Tasse Saft blieben, kann ich mich eine Weile unterhalten.

 

Am Abend gaben mir Gerlinde und David den Wetterbericht für den nächsten Tag durch und ich beschließe morgen, am 11. Mai, einen neuerlichen Versuch zu unternehmen den Südsattel zu erreichen. Als es heute früh morgens beim Frühstück stark anfing zu schneien, war es mir zu spannend den Aufstieg zum Südsattel zu versuchen. Die durchschnittlich 45° steile Lhotse-Flanke ist auf seiner ganzen Höhe von 1500 m eine gigantische Lawinenrutschbahn: nur 10 - 15 cm Neuschnee auf harten Untergrund ergeben ein ungeheuerliches Potenzial für Monsterschneerutsche. Und es geht ja nicht um's Raufkommen alleine sondern auch um einen sicheren Abstieg. Viele der aufsteigenden Sherpas drehten an diesem Morgen auf Höhe von Lager III um. Eine Gruppe Sherpas einer japanischen Expedition ließen neben mir laute Hurra-Rufe, da ihr Expeditionsleiter nach ihrer Funkmitteilung, es schneie so stark, die Expedition abgebrochen habe.

 

 

Um 3:30 Uhr an diesem 11. Mai fing ich an Wasser zu schmelzen, um 5:00 Uhr komme ich endlich vom Zelt weg. Ca. 80 Sherpas sind schon im Aufstieg, alle schwer mit fünf bis acht Flaschen Sauerstoff beladen. Eine 4-Liter-Flasche hat knapp unter 4 kg. Macht pro Sherpa mindestens 20 – 30 kg aufwärts. Der Südsattel liegt auf 7950 m. In den späteren Erfolgsmeldungen der Sahibs werden sie wahrscheinlich kaum einen Rolle spielen. Sie haben einen gnadenlosen Job.

 

Ich reihe mich in der Schlange der aufsteigenden Sherpas ein. Mit deren schwergewichtigen Rucksäcken geht es verständlicherweise nur zäh voran. Überholen ist entlang der Fixseile schwierig und nicht ungefährlich. Trotz Daunenanzug friere ich ziemlich. Am gelben Band auf ca. 7600 m gibt es einen riesen Stau. Ich merke, dass ich mit dem ganzen Gepäck für die Übernachtung am Südsattel und mit der zunehmenden Auskühlung mich wahrscheinlich zu sehr verausgaben würde und beschließe umzukehren. Hier auf 7600 m bei ca. -20° C und Wind warten zu müssen wäre mit meiner immer noch nicht ganz ausgeheilten Sinusitis eher ungut.

 

 

Trotzdem bin ich positiv: mit insgesamt 3 Nächten auf knapp über 7000 m und mit diesem Aufstieg bis 7600 m sollte ich trotzdem für einen zusatzsauerstoff-freien Aufstieg auf den Everest gut genug akklimatisiert sein. Noch nebenbei bemerkt: neben den ca. 80 schwer arbeitenden Sherpas waren heute nur Uli Steck, der ebenfalls ohne Zusatz-Sauerstoff zum Gipfel möchte, und ich unterwegs. Für die anderen Bergsteiger heißt es abwarten und Tee-trinken.
Ich kehre zum Lager 3 zurück, packe meine Sachen zusammen und steige weiter ins Western Cwm hinunter. Glücklicherweise bewölkt es zusehends und damit kühlt es sofort stark ab. Um 15:00 Uhr steige ich in den dieses Jahr sehr, sehr gefährlichen Eisbruch ein und bin um 16:15 Uhr am unteren Ende. Uff! Nix passiert. Hoffentlich das vorletzte Mal, dass ich hier durch steige.

 


Gerlinde holt mich am Beginn des letzten Flachstücks ab und wir freuen uns wieder unversehrt zusammen zu sein. Sie und David haben die letzten Tage auf gute Wetterverhältnisse für den Nuptse-Nordpfeiler gewartet. Es wird aber noch etwas Geduld brauchen – zunächst ist bis auf weiteres starker Wind angekündigt.

Die Annehmlichkeiten unseres Basislagers genieße ich sehr. Vor allem wieder bei Gerlinde und unserem Freund David zurück zu sein. Und morgens vom lauten Gezwitscher eines kleinen, roten Vogels neben unserem Zelt geweckt zu werden.

Nun heißt es warten, bis sich ein Wetterfenster für einen Gipfelaufstieg bietet. Ich weiß, dass ich ohne Zusatz-Sauerstoff nur mit wenig Wind und maximalen Kältegraten bis -25° C eine Chance haben werde. Ich würde mich so freuen, wenn es klappen könnte.

Herzliche Grüße aus dem Basislager

Ralf


Acclimatisation finished

The last few days have been exhausting as well as beautiful.

On 10th May I was sitting alone in my tent at Camp III at 7,100m, marveling at the Western Cwm, which forms the heart of the big horseshoe between Nuptse, Lhotse and Everest. I was able to enjoy this amazing view until the clouds came in and it started to snow. While it was precipitating, I melted snow for a few cups of juice before I looked out again and noticed some breaks in the clouds. I spent about half a day watching this natural spectacle until the clouds came in in the afternoon. It was only when two Sherpas, who I know very well, came for a cup of juice that I was able to speak the first words that day.

In the evening, Gerlinde and David gave me the weather forecast for the following day and I decided to give it another go to reach the South Col. However, as it was snowing heavily in the morning, I abandoned this idea immediately. The 1,500m high Lhotse Face, which has a gradient of about 45 degrees, is very avalanche-prone: 10 to 15 cm of fresh snow are enough to trigger a huge avalanche. And it is not only about climbing up but also about coming down safely. The same morning, many of the ascending Sherpas turned back from Camp III. I heard a group of Sherpas from a Japanese expedition cry out in joy, when their expedition leader told them over the radio to turn back due to the heavy snowfall.

 

I started to melt snow at 3.30am on 11th May and finally left my tent at 5am. I could already see around 80 Sherpas, who were all carrying heavy loads of five to eight oxygen bottles each. One 4-litre oxygen bottle weighs almost 4kg, which means that each of them was lugging at least 20kg to 30kg. The South Col lies at an altitude of 7,950m. I am fairly sure that they will not get a huge mention in the upcoming success stories of the 'Sahibs' - the Sherpas do have a tough job!
I joined the line of the Sherpas, however, the progress was pretty slow given their heavy loads. Overtaking on the fixed ropes is difficult and bears certain dangers. I was cold despite my downsuit. When I was faced with a huge traffic jam at the Yellow Band at about 7,600m, I decided to turn back as I knew that with carrying all my gear myself I would get too exhausted. Waiting at 7,600m at about -20 C would have been detrimental, especially as my sinusitis had not been cured completely.

Despite the fact that I did not reach the South Col, I am feeling pretty positive: with a total of three nights above 7,000m in combination with this ascent to 7,600m, I should be acclimatised well enough for climbing Everest without the use of supplementary oxygen. Ah, and by the way - apart from the 80 Sherpas, the only other person who was on the route that day was the Swiss climber Ueli Steck, who is also attempting an ascent without additional oxygen. All the other climbers are currently waiting for their weather window.

 

I returned to Camp III, packed my bags and continued down to the Western Cwm. Fortunately, the clouds had moved in and the temperature dropped immediately. At 3pm I entered the Khumbu Icefall, which is particularly dangerous this year, and was through by 4.15 - phew, nothing happened! I hope this was the last time that I had to go through it my summit attempt.

Gerlinde picked me up from the bottom of the icefall and we were happy to be reunited safe and sound. David and Gerlinde had been waiting for a good weather window for their attempt to climb Nuptse. However, they will probably have to be patient for another few days as strong winds are forecast. I have to say that I am really enjoying the little luxuries of our base camp, especially being back together with Gerlinde and our friend David as well as being woken up every morning by a little red bird, who seems to like the vicinity of our tent.

 

Now, I have to wait for a weather window for a summit attempt. I am convinced that I will have a good chance to succeed climbing Everest without supplementary oxygen if the winds are not strong and the temperature is not lower than -25 C. I would be so happy if it worked out.

Ralf

TRANSLATION by Billi Bierling