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Everest Expedition 2017

Nach dem gipfelversuch

Interview von Stefan Nestler | Blog Abenteuer Sport Deutsche Welle

(Dispatch in English please see below)

 

Müde und enttäuscht. Ralf Dujmovits ist es nicht nur, er klingt auch so. Der 55 Jahre alte Bergsteiger spricht leise und langsam, als er mir per Satellitentelefon von seinem gescheiterten Gipfelversuch ohne Flaschensauerstoff am Mount Everest erzählt. Am Samstag hatte Ralf auf einer Höhe von 8580 Metern umgedreht, kurz vor dem Second Step, der markantesten Felsstufe auf dem Nordostgrat: „Das war bitter.“

 

Zehn Minuten in der Felsnische

Er sei wie geplant um 1 Uhr nachts zusammen mit dem Sherpa Namgyal Lama von Lager 3 auf 8300 Metern aus aufgebrochen und „zügig vorangekommen“, berichtet Ralf. Dann habe Schneefall eingesetzt und schließlich auch noch Wind. Er und sein Begleiter hätten in einer Felsnische Schutz gesucht. „Ich bin total schnell ausgekühlt. Zehn Minuten lang habe ich nachgedacht. Und mir war klar: Wenn ich weitermache, werde ich mir Erfrierungen zuziehen.“

 

„Extrem schwere Entscheidung“

Der Kopf sagte nein, und der Bauch? „Die Entscheidung ist mir extrem schwer gefallen. Schließlich hatte ich mich ja schon vorher festgelegt, dass es mein letzter Versuch sein sollte“, sagt Ralf. „Es war total enttäuschend, das Gegenteil von dem zu machen, was ich eigentlich vorhatte. Bis dahin hatte ja fast alles perfekt geklappt. Und dann spielt am entscheidenden Tag das Wetter einfach nicht mit.“

 

Flaschensauerstoff beim Abstieg

Frustriert kehrte Ralf wieder zurück nach Lager 3, wo er sich eine Stunde lang ausruhte. „Namgyal hat mir geraten, Flaschensauerstoff zu atmen, damit ich beim weiteren Abstieg konzentriert bleibe. Das habe ich dann auch getan, in dem Augenblick war es mir wirklich scheißegal. Der Versuch war ja sowieso gescheitert.“ Dujmovits stieg noch am Samstag bis ins vorgeschobene Basislager ab und dann am Sonntag ins Chinese Base Camp auf 5300 Metern. „Ich war extrem fertig, als ich dort eintraf. Das hing auch mit der Enttäuschung zusammen.“ Schließlich habe er vorher extrem viel Aufwand betrieben, um sich seinen großen Traum zu erfüllen. „Damit muss ich erst mal klarkommen.“

 

Jornet „von einem anderen Planeten“

Seinen Hut zieht Ralf Dujmovits vor der Leistung des Spaniers Kilian Jornet, der innerhalb einer Woche zweimal den Everest bestiegen hat, alleine, ohne Flaschensauerstoff und im Eiltempo: „Der ist von einem anderen Planeten. Eine gigantische Leistung. Ich freue mich total für Kilian.“ Ganz anders stehe er zu Adrian Ballingers Aufstieg ohne Flaschensauerstoff. „Zwischen Jornet und Ballinger liegen Welten“, sagt Ralf. „Die Leistung zählt für mich nur, wenn der Gipfel selbstständig und aus eigener Kraft erreicht wurde. Ich muss noch Herr meines Körpers sein, und Herr meines Kopfs. Alles andere hat nichts mit Bergsteigen zu tun.“

 

Am kurzen Seil

Der US-Amerikaner Ballinger habe ein ganzes Team um sich herum gehabt – nicht nur seinen Partner Cory Richards, sondern auch noch einen ecuadorianischen Bergführer sowie zwei Sherpas, die das technische Equipment trugen, um in Echtzeit in den sozialen Netzwerken präsent zu sein: „Da geht es nur noch um Publizität.“ Beim Abstieg sei Ballinger von dem Ecuadorianer am kurzen Seil geführt worden. Davon habe er hinterher nichts gelesen, sagt Ralf Dujmovits: „So viel zum Thema Ehrlichkeit. Da werden Dinge in der öffentlichen Darstellung einfach weggelassen. Für mich ist das Lügen.“

 

 

Tired and disappointed. That’s not only the way Ralf Dujmovits feels, he also sounds like this. The 55-year-old climber from Germany talks quietly and slowly, when he tells me via satellite phone about his failed summit attempt on Everest without bottled oxygen. On Saturday, Ralf had turned around at an altitude of 8,580 meters, just before the Second Step, the most striking rock formation on the Northeast Ridge: “That was bitter.”

 

Ten minutes in a cove

As planned before, he set off at 1 a.m. from Camp 3 at 8,300 meters, along with the Sherpa Namgyal Lama. “We advanced quickly,” Ralf reports. Then it began to snow and it got windy. He and his companion sought shelter in a cove. “I was quickly loosing body warmth. I’ve been thinking for ten minutes. And it was clear to me: If I go on, I will suffer frostbite.”

 

“Extremely difficult decision”

The head said no – and the gut feeling? “The decision was extremely difficult for me. After all, I had decided beforehand that it should be my last attempt,” says Ralf. “It was totally disappointing to do the opposite of what I was about to do. Until then almost everything had worked perfectly. And then on the decisive day, the weather was simply not on my side.”

 

Bottled oxygen on descent

Frustrated, Ralf returned to Camp 3, where he took a rest for an hour. “Namgyal advised me to breathe bottled oxygen in order to remain concentrated on the further descent. That’s what I did. At that moment I didn’t give a damn, the attempt had failed anyway.” Dujmovits descended to the Advanced Base Camp on Saturday and to the Chinese Base Camp at 5,300 meters on Sunday: “I was wiped out when I arrived there. But that was also a result of my disappointment.” After all, he had previously spent a great deal of time and effort trying to fulfill his dream. “Now I have to get along with it.”

 

Jornet “from another planet”

Ralf Dujmovits takes his hat off to the performance of the Spaniard Kilian Jornet, who climbed Everest twice within a week: alone, without bottled oxygen, at speed. “He’s from another planet, an incredible strong performance. I’m really happy for Kilian.” His opinion on Adrian Ballinger’s ascent without supplemental oxygen is quite different. “Jornet and Ballinger are worlds apart,” says Ralf. “The performance counts for me only if the summit was achieved independently and on someone’s own. I must be still master of my body, and master of my head. Everything else has nothing to do with mountaineering.”

 

On the short rope

The American had a whole team around him, says Ralf – not only his partner Cory Richards, but also an Ecuadorian mountain guide and two Sherpas who carried the technical equipment to be present in the social networks in real time: “It’s only about publicity.” On the descent, Ballinger was led by the Ecuadorian on the short rope, says Ralf Dujmovits, adding that he has not read anything about that: “So much about honesty. Things are simply omitted in public. For me, that’s lying.”